Vergiss den Businessplan, so machst du aus deinem Projekt ein Unternehmen

Ich werde ab und zu nach Tipps zur Unternehmensgründung gefragt. In Deutschland haben die meisten Menschen diese Vorstellung, wie man sich selbstständig macht und leider wird das auch bei vielen Beratungen der IHK so erklärt:

Idee → Businessplan → evtl. erste kleine Umsetzung → Unternehmen gründen → Finanzierung → Umsetzung ausbauen → Kunden gewinnen.

Dabei sollte es so sein:

Idee → Umsetzung der Kernfunktionalität → Nutzer gewinnen → Mehr Nutzer gewinnen → Gedanken darüber machen, wie man Umsatz macht → sobald Kaufbereitschaft da ist, ein Gewerbe anmelden.

Was man nicht braucht: Businessplan. Was man gar nicht erst machen sollte: Finanzierung.


Disclaimer: Ich beziehe mich hier auf Online-Unternehmen mit Fokus auf App-Entwicklung oder Websites. Für traditionelle Unternehmen ist der Weg über Businessplan und Finanzierung deutlich wichtiger. Online-Unternehmen sollten aus meiner Sicht aber explizit anders getestet werden. Darum geht es in diesem Artikel.

Businessplan

Ein Businessplan ist für die Tonne. Den brauchst du einzig und allein dazu, um mit Banken zwecks Kreditvergabe zu reden. Businesspläne sind meist realitätsfremd. Einzig sinnvoller Aspekt: Überlegungen zu Cashflow und Umsatzerwartungen.

Sinnvoller für eine gute Übersicht ist das Business-Model-Canvas: https://www.startplatz.de/startup-wiki/business-model-canvas/ (hier auch auf Deutsch: https://www.existenzgruender.de/DE/Gruendung-vorbereiten/Businessplan/Business-Model-Canvas/inhalt.html), was dich dazu zwingt, die Gedanken um Märkte, Kunden, Nutzen und Cashflow zu machen. Aber auch das sind nur Stützräder. Füll das in 15 Minuten aus, das reicht. Ein detailliertes Business-Model-Canvas ist ebenfalls nur ein Kommunikations-Tool, damit man mit anderen über die wichtigsten Dinge spricht.

Finanzierung

Kredit: Ich würde für ein relativ simples Tool niemals einen Kredit aufnehmen, sondern versuchen, alles über Einnahmen zu refinanzieren. Das zwingt dich nämlich dazu, Umsätze zu machen. Es gibt genügend Leute, die einen Kredit aufnehmen, sich dann erstmal Büromöbel anschaffen, einen neuen Laptop usw. und niemals auch nur einen Cent verdienen. Am Ende haben sie Schulden und mehr Sorgen als vorher.

Investorengelder: Kleinere Projekte brauchen keine Investorengelder. Investorensuche verschlingt Unmengen an Zeit. Gleiches Problem: Man neigt dazu, „Entrepreneur zu spielen“, auf irgendwelchen Startup-Messen rumzurennen und Workshops zu besuchen, anstatt das eigentliche Ziel zu verfolgen: Sich mit seinen Kunden zu beschäftigen und Umsatz zu machen. Investoren interessieren sich ohnehin nur für Unternehmen, die eine sehr steile Wachstumskurve haben.

Unterschätze nicht, wie groß die psychologische Hürde ist, für deine Arbeit von deinen Kunden Geld zu verlangen. Eine externe Finanzierung ist immer auch eine Flucht davor, Kunden um Geld zu bitten!

Unternehmensgründung und Rechtsform

Fang mit einem Gewerbe an. Kostet ca. 35€ bei der Stadt und gibt dir die Möglichkeit, Rechnungen zu schreiben und am Jahresende eine simple Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu machen zwecks Steuern. Nutze die Kleinunternehmerklausel, damit du umsatzsteuerbefreit bist. Das reduziert den Buchhaltungsaufwand.

Manchmal kommt das Argument: „Aber eine GmbH ist seriöser“. Die allermeisten Menschen interessieren sich nicht die Bohne für die Rechtsform hinter einem Unternehmen. Eine GmbH aus Gründen der Seriösität ist vielleicht im B2B-Segment wichtig und dort auch nur im Enterprise-Bereich. B2C? So einfach wie möglich.

Für einen selbst: Solange niemand deine Plattform kennt, hast du damit auch keinen Ärger. Die Haftungsreduzierung einer GmbH ist für die allermeisten Neuunternehmer irrelevant. Zum einen haftest du als Geschäftsführer teilweise ohnehin noch, zum anderen schützt dich das nicht vor Rechtsstreitigkeiten. Du willst ja dein Unternehmen größer machen und nicht Insolvenz anmelden, bei der die Haftungsklausel überhaupt erst zum Tragen kommt.

Baue ein sauberes Produkt, gehe verantwortungsvoll mit Kundendaten um (oder erhebe diese erst gar nicht), gehe verantwortungsvoll mit deinen Werbeversprechen um (Produkthaftung), dann hast du auch nichts zu befürchten.

Aber: Gründe erst dann, wenn sich abzeichnet, dass du überhaupt auch nur einen Cent verdienst. Verlasse dich nicht auf „Zahlungsversprechen“, sondern teste, ob wirklich jemand Geld in dein Produkt stecken würde. Wenn es nämlich darum geht, für etwas zu bezahlen, sieht die Sache auf einmal ganz anders aus.

Ich würde anfangs nicht einmal mehr den Aufwand betreiben, um mich bei einem Zahlungsanbieter zu registrieren. Das hab ich in einem Projekt mal gemacht, das nicht einmal 10 Besucher hatte und war den Aufwand nicht wert. Wenn jemand zahlen will, soll er dir über PayPal Geld schicken oder eine Überweisung machen.

Weiterentwicklung des Produktes

Ein Gewerbe anmelden, um Werbekampagnen zu starten, „seriöser“ zu werden, weitere Features zu entwickeln:

Werbekampagnen: Geht es auch ohne bezahlte Werbung? Ich habe mit myNFP in 15 Jahren 3x bezahlte Werbekampagnen ausprobiert über Google und Facebook und die Kosten sind viel zu hoch als dass sich das lohnen würde. Probier es aus: Stecke 5€ in eine Werbekampagne und schau, was bei rumkommt. Das kannst du ja auch erstmal privat ohne Unternehmen testen. Aus meiner Sicht ist bezahlte Werbung keine langfristige Werbestrategie. Daher die Frage: Was ist die Alternative? Wie verbreitest du die Seite? Wo sind Leute, die sich dafür interessieren?

Features: Was für Features? Sind das eigene Ideen (meh) oder hat dich jemand nach diesen Features gefragt (viel besser)? Bevor du mehr Zeit in Module und Features steckst, stecke erstmal mehr Zeit in Marketing.

Hast du wiederkehrende Kunden oder ist das ein Produkt, das nur einmal genutzt wird? Wenn du eine Art Vermittlungsplattform baust: Wie löst du das Henne-Ei-Problem (ohne Anbieter keine Suchende, ohne Suchende keine Anbieter)? Ist deine Idee ein Produkt oder eher ein „Nonprofit“-Tool? Ganz nice, weil es kostenlos ist, aber zahlen würde dafür keiner?

Kurz:

Viel Erfolg!